Nach dem 9-Euro-Ticket: Verkehrsverband schlägt 69 Euro vor

Marktforschung: Was hat die Maßnahme gebracht?

Viele Menschen genießen und nutzen gerne diese finanzielle Entlastung: Für 9 Euro bundesweit den ÖPNV nutzen (Ausnahme: Fernverkehr und private Anbieter neben der Deutschen Bahn). Doch was ist im September, wenn es dieses Angebot nicht mehr gibt?

Auch wenn noch so viele Kundinnen und Kunden das Ticket kaufen: Es dürfte klar sein, dass sich das für die Betreiber dauerhaft nicht wirklich rechnet – es sei denn, der Staat subventioniert noch viel mehr den öffentlichen Nahverkehr.

 

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen prescht nun auf seiner Facebook-Seite vor: „Wir schlagen insbesondere für diejenigen, die sich in der Marktforschung als relevante Zielgruppe erwiesen haben – zahlungswillige Autofahrerinnen und -fahrer – ein bundesweit gültiges ÖPNV-Klimaticket für 69 Euro pro Monat als einfache Fahrberechtigung der 2. Klasse vor. (…) In einem zweiten Schritt für den 1. Januar 2023 könnten dann zum Beispiel sozialpolitisch wünschenswerte Varianten vorbereitet werden.“

 

Lohnt sich das?

Nun stellt sich natürlich die Frage: Sind 69 Euro noch immer attraktiv genug, um mehr mit Bus und Bahn als mit dem Auto zu fahren? Kommt natürlich auf den individuellen Fall ein.

 

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Wer beispielsweise in einer Stadt mit einem gut vernetzten Angebot wohnt und dieses auch rege nutzt, dürfte davon ordentlich profitieren.

Auch Pendlerinnen und Pendler zwischen mehreren Städten, die ansonsten irgendwas zwischen 100 und 200 Euro für das Monatsticket berappen müssten, könnten sich darüber freuen.

Und eine solche Flatrate könnte auch den Tarifdschungel etwas lichten.

 

Auf der anderen Seite: Wer dagegen in einer ländlichen Region lebt, wo eher weniger Busse unterwegs sind und es auch keinen guten Bahnanschluss gibt, dürfte da nicht allzu viel davon haben.

Und für Gelegenheitsfahrgäste, die nur wenige Male im Monat einen Bus oder eine Bahn besteigen, wären wohl weiterhin Tageskarten, Einzel- oder 10er-Tickets anzuraten, auch wenn die wahrscheinlich verhältnismäßig teuer bleiben.

 

Außerdem: Was meint der VDV mit „sozialpolitisch wünschenswerten Varianten“ ab 2023?

Es bleibt nun abzuwarten, wie die Politik auf diesen Vorschlag reagiert….

Hochrechnung: mindestens 30 Millionen Personen mit 9-Euro-Ticket

Zu klären ist natürlich auch, ob das 9-Euro-Ticket überhaupt den ÖPNV für mehr Menschen „schmackhaft“ gemacht hat. Das haben der VDV und die Deutsche Bahn AG im Auftrag von Bund und Ländern untersucht:

Nachfrage, Bekanntheit und Attraktivität des 9-Euro-Tickets sind ungebrochen hoch, wir verzeichnen überall vollere Busse und Bahnen. Sehr erfreulich ist auch, dass ein Fünftel der Käuferinnen und Käufer angibt, dass es den ÖPNV zuvor normalerweise nicht genutzt hat“, heißt es in einer Presseerklärung des VDV.

Sechs Prozent der Fahrten wären ohne das 9-Euro-Ticket „mit einem anderen Verkehrsmittel außerhalb des ÖPNV unternommen worden, davon gut die Hälfte mit dem Auto“, ergänzt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. „Gut jede vierte aller Fahrten mit dem 9-Euro-Ticket, einschließlich der Fahrten der Abo-Kundinnen und -kunden, wäre ohne das Ticket von vornherein gar nicht unternommen worden.“

 

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff: „Hochgerechnet auf die Bevölkerung ergeben sich aus der Befragung somit mindestens 30 Millionen Personen, die im Monat Juni ein 9-Euro-Ticket – einschließlich der Abos – besessen haben. Dieser gemeinsame Erfolg aus Politik und Branche erhöht jedoch auch den Druck mit Blick auf die Zeit danach – sowohl, was die Preise, vor allem aber was die Leistungskosten angeht.“

 

Warum haben so viele Menschen das 9-Euro-Ticket gekauft?

Hauptgrund sei (selbstredend) „der Preis“ (70 Prozent), hat der VDV herausgefunden: „Weitere Gründe sind für mehr als ein Drittel der Befragten der Verzicht auf Autofahrten (39 Prozent), die flexible Nutzung am Wohnort (38 Prozent) sowie die deutschlandweite Gültigkeit.
Die Hauptgründe gegen den Kauf des 9-Euro-Tickets sind fehlende Nutzungsanlässe (37 Prozent), umständliche Verbindungen (35 Prozent) und die Vorliebe für das Auto (35 Prozent).“

 

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Weitere Erkentnisse: „Für 69 Prozent der Befragten ist das Ticket in seinen Bedingungen einfach verständlich. Für etwa zwei Drittel ist es eine gute Möglichkeit, den ÖPNV auszuprobieren. Beispiellos sind die Werte für die Bekanntheit des Angebotes: Mit fast 98 Prozent kennt fast jeder Befragte das 9-Euro-Ticket, zwei Drittel kennt es sogar gut. 27 Prozent geben an, ein Ticket für Juni gekauft zu haben, 21 Prozent der Befragten berichten, ein bestehendes Abo als 9-Euro-Ticket zu nutzen. Damit lag in der letzten Juniwoche der Anteil an Ticket-Besitzern unter den Befragten bei 48 Prozent.“

 

Also: Der ÖPNV ist offenbar in Schwung geraten. Den sollten Politik und die Unternehmen nun nutzen und ab Herbst nicht wieder versanden lassen. Die große Kunst ist halt, Bedarf und Nachfrage mit der Deckung der Kosten in Einklang zu bringen. Und natürlich müssen die Kapazitäten aufgestockt werden. Denn bei vollen Bussen und Bahnen macht selbst für 9 oder 69 Euro die Fahrt dauerhaft keinen Spaß.

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: anzeiger24.de

 


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