NahVG-Vorsitzender erklärt die Gründe: ‚Arbeitsbedingungen und Bezahlung schlecht‘
„Schon wieder?“, werden sich jetzt viele Fahrgäste fragen – und sicherlich auch ärgern. Zwei Wochen nach dem ersten Warnstreik ruft die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) in NRW erneut zur landesweiten Arbeitsniederlegung im kommunalen Nahverkehr auf: Am Donnerstag, 15. Februar 2024, werden deutlich weniger Busse und Bahnen in den Städten unterwegs sein.
Bestreikt werden u.a. in Düsseldorf und im südlichen Kreis Mettmann die Rheinbahn AG sowie die Bahnen der Stadt Monheim GmbH und in Leverkusen die wupsi GmbH.
Es wird sicherlich wieder einen Notfahrplan geben. Die Rheinbahn hat auch Fremd- und Tochterunternehmen, in denen das Personal nicht gewerkschaftlich organisiert sind.
Warum wird jetzt gestreikt?
Am 16. Februar 2024 – also einen Tag nach dem Streik, läuft die nächste Runde der Manteltarifverhandlungen für die Beschäftigten des kommunalen Nahverkehrs mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen e.V. (KAV NW) in Bochum.
Warum also vorher die Arbeitskampfmaßnahme?
ver.di will schlicht und ergreifend „den Druck erhöhen, weil die Arbeitgeberseite in der ersten Verhandlungsrunde alle Forderungen der Gewerkschaft vom Tisch gewischt und selbst eine Reihe von Gegenforderungen eingebracht habe“, sagt Peter Büddicker, Branchenkoordinator Busse und Bahnen. „Wir liegen aktuell noch meilenweit auseinander. Während wir die Beschäftigten entlasten und somit den ÖPNV stärken wollen, setzen die Arbeitgeber auf verlängerte Arbeits- und Lebensarbeitszeiten. So wird der Fachkräftemangel nur dauerhaft verschlimmert!“
In NRW fordert ver.di
- Entlastungstage für alle Beschäftigten im ÖPNV
- Identischer Ort für Arbeitsbeginn und -ende
- Zulage ab dem 1. Tag bei vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten
- Schicht- und Wechselschichtzulage für den Fahrdienst
- 100 Prozent Jahressonderzahlung
- Überstunden ab der 1. Minute und in der individuellen Stufe ohne Abzug
- Zulage für Vorhandwerker / Gruppenführer / Teamleiter nach individueller Stufe
Der KAV NRW argumentiert dagegen, „dass vor dem Hintergrund der weiterhin nicht ausreichenden finanziellen Unterstützung durch Bund und Länder bei der Umsetzung der Verkehrswende die finanzielle Situation der kommunalen Nahverkehrsunternehmen weiterhin äußerst schwierig“ sei.
Nahverkehrsgesellschaft: Zu viele Schichtdienste und zu wenig Ruhezeiten
Bei der Rheinbahn bildet die Nahverkehrsgesellschaft (NahVG) die Vertretung für die Beschäftigten. Deren Landesvorsitzender Heiko Göbel erklärt im Gespräch mit anzeiger24.de, dass er auch lieber nach der Verhandlungsrunde zum Streik aufrufen würde, wenn es keine Annährung gibt. Aus „Solidarität“ aber beteiligt sich die NahVG nun bereits am Vortrag an der Aktion.
Denn im Ziel sind sich die Gewerkschaften einig: Entlastung für die Beschäftigten.
„Die Arbeitsbedingungen im ÖPNV – nicht nur im Fahrdienst, sondern auch in den Werkstätten und teilweise sogar in der Verwaltung – sind schlecht, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind chronisch unterbezahlt“, sagt Heiko Göbel. „Das führt dazu, dass kaum noch Personal gefunden wird. Im Gegenteil: Sehr viele Menschen verlassen ihre Arbeitsplätze im ÖPNV, um sich neue Arbeitsplätze in anderen Branchen zu suchen.“
Bahn- und Bus-Fahrerinnen und -Fahrer beispielsweise arbeiten im „Wechselschichtdienst“ zwischen Früh-, Spät- und Nachtschichten, aber ohne Zulage.
„Der Dienst der Fahrerinnen und Fahrerinnen und Fahrer beginnt mit der Abfahrt des Fahrzeuges und endet mit der Ablösung durch die nachfolgende Schicht – oftmals weit vom Anfangspunkt des Dienstes entfernt“, erklärt Göbel weiter. „Das bedeutet, dass der Fahrer dann selbst zusehen muss, wie er wieder in den Betriebshof zurückkommt. Das kann täglich eine halbe Stunde oder mehr dauern, die nicht bezahlt wird.“
Außerdem müssten sich die Fahrerinnen und Fahrer „täglich vor der Abfahrt vom ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeuges überzeugen (Blinker, Bremsen etc.), ihre Kasse installieren, das Fahrzeug aus der Halle holen oder dort abstellen, was z.B. im Betriebshof Düsseldorf-Lierenfeld Fußwege von bis zu zehn Minuten bedeuten kann“, heißt es weiter. „Sie müssen nach dem Dienst ihre Einnahmen abrechnen, evtl. noch einen Unfallbericht schreiben. Alle diese Tätigkeiten werden nicht in die 39 Wochenstunden Arbeitszeit eingerechnet.“
Weitere Kritik an den Arbeitsbedingungen:
- Verkehrsbedingte Verspätungen werden „erst ab der 16. Minute vergütet. Bei bis zu 15 Minuten täglich geht der Fahrer leer aus.“
- Wendezeiten an den Endstellen werden teilweise als „unbezahlte Zeit abgezogen“
- Die Fahrerinnen und Fahrer haben „nur eine Mindest-Ruhezeit von zehn Stunden zwischen zwei Diensten. In dieser Zeit müssen sie oft weite Wege von und nach Hause zurücklegen, essen, mit der Familie kommunizieren, schlafen usw. Das heißt: Es bleibt kaum ausreichend Zeit für den notwendigen Schlaf, erst recht nicht für eine auch nur minimale Erholung“.
- In der Morgen- und Nachmittags-Spitze „sind über den Mittag weniger Fahrzeuge und dadurch weniger Fahrer im Einsatz. Das führt zu ‚geteilten Diensten‘: Nach heutigem Tarifrecht dürfen zwischen Dienstbeginn und Dienstende 13 Stunden liegen, unterbrochen durch eine unbezahlte Zeit von mindestens zwei Stunden“.
- Die Arbeitgeber fordern die Arbeitnehmer auf, „mehr Überstunden zu leisten, wollen dies aber nicht angemessen bezahlen„, so Göbel.
Die Gewerkschaft stellen sich also auf „harte Verhandlungen“ ein. Und die Fahrgäste könnten das noch mehrfach zu spüren bekommen…
Bericht: Achim Kaemmerer
Archivfoto: anzeiger24.de
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