Chaos im Kreisgesundheitsamt: Was sagt eigentlich die Politik dazu?

Kreistags-Fraktion Piraten findet klare Worte

Die Mitarbeitenden im Kreisgesundheitsamt haben derzeit nicht nur einen beschwerlichen Job. Sie sind in den Sozialen Medien und in der Öffentlichkeit einer großen Häme ausgeliefert, weil immer wieder Pannen auftreten (z.B. zu späte Quarantäne-Anordnungen, falsche oder nicht transparente Zahlen wegen Personalmangel oder technischer Probleme, Medienberichte über „chaotische Zustände“ etc.)

 

Jetzt interessiert uns: Was sagen eigentich die Politiker aus dem Kreistag, die eine Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung haben? Sind dort auch die misslichen Zustände bekannt? Und was wird im Kreistag entschieden, damit die Mitarbeitenden vernünftige Rahmenbedingungen bekommen?

 

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Wir haben alle Fraktionen – CDU, Grüne, SPD, AfD, FDP, UWG-ME und PIRATEN  – angeschrieben.

Es haben uns vier Fraktionen geantwortet.

Drei davon zeigen recht viel Verständnis für die schwierige Situation des Kreisgesundheitsamtes: Da es kaum Vorerfahrungen gibt, können Fehler nun mal vorkommen, so der allgemeine Tenor.  

Die vierte Fraktion dagegen äußert deutliche Worte für die Missstände, kritisiert die technische Ausstattung und fordert mehr Konsequenzen an der Verwaltungsspitze

 

PIRATEN: „Mitarbeiter leisten übermenschliches. Aber die IT der Kreisverwaltung ist auf dem Stand der 80er Jahre!“

Thomas Küppers von der Fraktion PIRATEN (die nur zwei Mandatsträger von 33 Kreistagsmitgliedern stellt) sieht viele „offene Baustellen“ und die Verwaltungsspitze in der Pflicht und Verantwortung; seine ausgiebigen Antworten geben wir leicht gekürzt hier wieder:

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Thomas Küppers (Archivfoto: PIRATEN) 

 

Wie beurteilen Sie die Zustände im Kreisgesundheitsamt?

Das Gesundheitsamt im Kreis ist schon lange nicht mehr am Limit, sondern liegt deutlich darüber. Die Mitarbeiter*innen leisten übermenschliches, sind aber gefangen in der mangelhaften Digitalisierung und Prozesssteuerung. Effizientes Arbeiten ist so leider nicht möglich.

Unserer Ansicht nach trägt die Verwaltungsspitze an der Situation die überwiegende Verantwortung. Herr Landrat Thomas Hendele weigert sich jedoch, diese Umstände zu Kenntnis zu nehmen. Außer Beschwichtigungen gibt es keinerlei Reaktion auf die Situation. Schuld an den Missständen sind immer die anderen: der Bund, das Land, die Städte, die Kassenärztliche Vereinigung, etc.

Während der gesamten Corona-Pandemie gab es aus unserer Sicht niemals proaktives Handeln mit innovativen Ideen von der Verwaltungsspitze.

 

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Welchen Anteil hat die Politik an diesen Zuständen?

Die Mehrheit der im Kreistag vertretenden Fraktionen hat zu lange der Verwaltungsspitze geglaubt, dass sie alles im Griff habe. Es war aber schon Mitte 2020 abzusehen, dass dies nicht der Fall ist.

Unsere Gruppe hat die Missstände offen angesprochen. Wir haben durch Anfragen die Arbeitsweise des Kreises hinterfragt und weitreichende Anträge gestellt. 

 

Wurde für ausreichend Personal/Ausstattung gesorgt?

Dies liegt weniger an der Anzahl der Mitarbeiter, sondern an den mangelhaften digitalen Prozessen. Leider hat das Aufstocken des Personals nicht zu der Problemlösung geführt.

Die IT der Kreisverwaltung ist aus unserer Sicht auf einem Stand der 80er Jahre.

Das Gesundheitsamt arbeitet zu einem wichtigen Teil mit selbstentwickelten Lösungen, die sich nur schlecht mit den Standards IRIS und SORMAS verbinden lassen (Anm.d.Red.: Auch zu dem Thema hatten wir den Kreis Mettmann befragt). Dies zeigt sich auch regelmäßig im Chaos um die Corona-Zahlen.

Hinzu kommt die Situation, dass der Betrieb der IT an ein externes Rechenzentrum ausgelagert wurde – was die Flexibilität in der Krise nicht erhöht hat.

 

Inwiefern haben Politiker ihre Kontrollfunktion wahrgenommen?

Wir PIRATEN haben uns schon frühzeitig für digitale Impfzertifikate eingesetzt, die dann Monate später auf Bundesebene eingesetzt worden sind.

Wir haben einen Antrag zur Einführung der sogenannten „Impfbrücke“ eingebracht, um in der Anfangszeit der Pandemie das effektivere Verteilen von Restimpfstoffen zu ermöglichen.

 

Unsere Gruppe hat sich sehr frühzeitig für die Einführung der Luca App ausgesprochen (Anm.d.Red.: Die Luca-App wurde aus Datenschutzgründen jedoch nicht mit dem System des Kreisggesundheitsamtes Mettmann verknüpft), um das Chaos bei der digitalen Kontaktnachverfolgung zu vermeiden.

 

Wir haben Informationsveranstaltungen für die Bürgerinnen und Bürger durchgeführt.

 

Ebenso haben sich die PIRATEN in der Anfangszeit der Delta-Variante für eine stärkere Analyse der Mutationen und insbesondere für massiveres Vorgehen beim Auftreten der ersten Fälle in Velbert und Ratingen eingesetzt..

  

Außerdem haben wir uns dafür ausgesprochen, mit einer Neander-App die lokale Wirtschaft zu unterstützen und mit lokalen digitalen Märkten den regionalen Handel zu unterstützen, um die negativen Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft im Kreis abzufedern.

 

Leider ist bis auf das Kreistagsstreaming bis dato kein einziger unserer Anträge oder Vorschläge angenommen oder umgesetzt worden.

Ebenso wurde die Informationspolitik des Kreises auch nicht wie gefordert geändert.

 

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Was schlägt Ihre Fraktion vor, um den Zustand zu verbessern?

Die PIRATEN fordern konsequentes Digitalisieren, um die Kontaktnachverfolgung zu beschleunigen, Luca, IRIS, Sormas usw. sind nur dann hilfreich, wenn die Tools richtig und konsequent eingesetzt werden.

Die PIRATEN haben dem Landrat vorgeschlagen, einen externen Dienstleister zur Unterstützung des Gesundheitsamts einzuschalten. Ob der Kreis von diesem Vorschlag Gebrauch macht, liegt nicht im Einfluss der PIRATEN.

Es ist ein Fortschritt, dass Tabellen beim Kreis hochgeladen werden können, aber leider gibt es bis heute noch immer kein einheitliches Verfahren dafür.

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CDU, Grüne und UWG-ME: Fehler kommen vor, Personal soll aufgestockt werden

Die anderen Fraktionen, die uns geantwortet haben, erkennen ebenfalls die Zustände, sehen aber keinen Grund für härtere Konsequenzen für die Führungsebene. Vielmehr solle das Personal aufgestockt werden. 

 

So erklärt CDU-Geschäftsführerin Alexandra Gräber u.a.: „Wenn wir ehrlich sind, hat uns die Corona-Pandemie schonungslos und quasi von heute auf morgen offenbart, dass die damalige Aufstellung des Gesundheitsamtes, personell wie sachlich, für eine solche Katastrophe nicht im Ansatz ausreichte.“ Man wolle daher das Gesundheitsamt neu strukturieren.

➤ Den kompletten Wortlaut gibt es hier nachzulesen

 


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Für die Grünen erklärt die Fraktionsgeschäftsführerin Dr. Alexandra von der Heiden: „Wir wissen, dass das Kreisgesundheitsamt alles tut, um schnell zu lernen und Fehlerquellen umgehend abzustellen.Die Politik ist auf dem aktuellen Stand der Pandemiebekämpfung, hinterfragt Abläufe, bringt Vorschläge ein und unterstützt die Verwaltung. Neben den pandemiebedingt bereits erfolgten Personalaufstockungen im Gesundheitsamt ist schon angekündigt, dass im Rahmen des aktuell einzubringenden Doppelhaushaltes 2022/2023 im Personaletat ein deutlicher Zuwachs an weiteren Stellen im Gesundheitsamt beraten wird.“ 

➤ Den kompletten Wortlaut gibt es hier nachzulesen

 

Von der Unabhängigen Wählergemeinschaft Kreis Mettmann (UWG-ME) erklärt die Fraktionsvorsitzende Brigitte Hagling: „Nachdem wir einen Missstand beim Impfzentrum gemeldet haben, wurde dieser umgehend behoben. Das Personal wurde und wird ständig den Umständen entsprechend angepasst. Bei Bedarf wird Personal aus anderen Ämtern hinzugezogen. Teilweise lag die Schuld der schlechten Kommunikation beim Bund, beim Land oder bei der Kommunikation mit dem RKI.“

➤ Den kompletten Wortlaut gibt es hier nachzulesen

 

Bericht: Achim Kaemmerer

Foto: Archiv / Gerd Altmann/Pixabay


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Haltet die Regeln ein.
Und seid auf der Hut!

……

 


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