Acht Spuren für die A3: Wird der Ausbau jetzt „beschleunigt“?

Ampel-Koalitions-Ausschuss: „Überragendes öffentliches Interesse“ – Widerstand vor Ort

Viel wurde über den Knatsch in der Ampel-Bundesregierung und die Ergebnisse des dreitägigen Koalitions-Ausschusses berichtet und diskutiert.

Bei einem Kompromiss sollten die Menschen aus dem südlichen Kreis Mettmann einmal aufhorchen. So heißt es u.a.: „Es sprechen gute Argumente dafür, dass wir unsere Straßen ertüchtigen. Wir erwarten im Jahr 2024 eine Steigerung des Transportaufkommens auf der Straße von 50 Millionen TonnenDie Verkehrsinfrastruktur darf dieser Transformation nicht hinterherhinken. Nach der Einigung der Koalition macht das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz eine schnelle Anpassung jetzt möglich. Davon profitieren hochbelastete Autobahnen, insbesondere in den großen Ballungsräumen Rhein-Main, Ruhrgebiet und im Großraum München. Dort wird durch schnellere Planung der Verkehr bald wieder flüssiger werden..“

 

Das wird dann wohl auch den umstrittenen Ausbau der A3 zwischen den Kreuzen Hilden und Leverkusen auf acht Spuren betreffen. Wird dieses Projekt nun „beschleunigt“ – trotz der Widerstände vor Ort?

 

Auf Anfrage teilt uns das Bundesverkehrsministerium (BMDV) mit: „Die Koalition hat vereinbart, dass Vorhaben, die im Bedarfsplan Straße den Kategorien ‚Vordringlicher Bedarf mit Engpassbeseitigung‘ (VB-E) oder der Kategorie ‚Laufende und fest disponierte Vorhaben-Engpassbeseitigung‘ (FD-E) zugeordnet sind, im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. In diese Kategorien fallen 144 Projekte.“

 

Und in der Tat: Das Teilstück zwischen dem Kreuz Hilden und Leverkusen fällt laut dieser Liste in die Kategorie VB-E.

„Mit den prioritären Einstufungen besteht ein gesetzlicher Auftrag, die A3 zu planen und entsprechend den Finanzierungsmöglichkeiten umzusetzen“, erklärt uns das BMVD dazu. „Damit werden verwaltungsgerichtliche Verfahren sowie die Prüfungen und die Entscheidungen über naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen nach BNatSchG vereinfacht. Durch diese Vereinfachung kann der Planungsprozess beschleunigt werden. Auf die Variantenuntersuchungen und die Wahl der Vorzugsvariante, die der weiteren Planung zugrunde gelegt wird, hat dies jedoch keinen Einfluss.“

  

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Städte fordern Nutzung des Standstreifens

2019 haben die Bürgermeister von Hilden (damals noch Birgit Alkenings), Langenfeld (Frank Schneider), Solingen (Tim Kurzbach) und Leichlingen (Frank Steffes) erklärt, dass der „Umfang der nachteiligen Auswirkungen auf das notwendige Maß begrenzt“ werden solle, so der Appell.

 

Außerdem schlagen sie vor, in den Stoßzeiten besser die Standspur freizugeben statt eine weitere Bahn zu bauen. Dafür gibt es u.a. Unterstützung von der Bergischen IHK

 

Das aber wiederum lehnt die Autobahn GmbH des Bundes ab.“

 

Davon aber lassen sich die Stadtoberhäupter nicht beirren. Nach einem Treffen mit Regierungspräsident Thomas Schürmann am 30. März 2023 in Ratingen bekräftigten sie ihre Forderungen

 

Auch die Stadt Hilden bleibt skeptisch. 

Der Hildener Stadtrat hat sogar 2019 per Resolution mehrheitlich (gegen die Stimmen der CDU) den Ausbau der A3 auf acht Spuren abgelehnt

Der örtliche Naturschutz-BUND ist erwartungsgemäß nicht wirklich begeistert von dem Projekt und kündigt seit jeher „erhebliche Widerstände“ an.

 

Und was sagt nun die Bundespolitik?

Trotz alledem: Das Projekt genießt jetzt nach Willen der Bundesregierung ein „überragendes öffentliches Interesse“. Ist der beschleunigte Ausbau also beschlossene Sache?

 

„Die Dauer von Bundesfernstraßenplanungen – von der Planungsentscheidung bis zum erfolgreichen Abschluss des Planfeststellungsverfahrens – hängt zum einen von der Komplexität der Planungsaufgabe und zum anderen von den in den straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorgebrachten Stellungnahmen und Einwendungen, ggf. auch von Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss ab“, teilt uns das BMVD mit. „Beide Projekte befinden sich in einer noch frühen Planungsphase. Eine Prognose zum zeitlichen Ablauf der Planungen unter Berücksichtigung der Beschleunigungseffekte und die zum Zeitpunkt eines vollziehbaren Planfeststellungsbeschlusses als Voraussetzung für einen Baubeginn dann bestehenden Finanzierungsmöglichkeiten sind derzeit daher nicht möglich.“

 

Wir fragen bei unseren für den Kreis Mettmann zuständigen Bundestagsabgeordneten weiter.

 

Klaus Wiener (CDU): „Neuer Beschluss ändert an der Priorität nichts – Projekt wichtig für die Infrastruktur“ 

Klaus Wiener (CDU, Wahlkreis Süd, kein Regierungsmitglied, aber stets im Kontakt mit dem Ministerium) erklärt uns: „Der Bundesverkehrswegeplan, der in der vergangenen Wahlperiode des Bundestages bereits beschlossen wurde und für rund 15 Jahre gilt, gibt den achtspurigen Ausbau der A3 vom AK Leverkusen bis zum AK Hilden bereits als prioritär vor. Daran ändert auch der Regierungsbeschluss und das ‚überragende öffentliche Interesse‘ nichts.“

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Pressefoto

 

Allerdings sieht er auch nicht, dass das Projekt deswegen „schneller voran gehen“ werde: „Es ist im Einzelfall eine Festschreibung des überragenden öffentlichen Interesses im Einvernehmen mit dem jeweils betroffenen Bundesland erforderlich. Höchstfristen für die Genehmigung, die jetzt durch die Koalitionsvereinbarung festgelegt wurden, könnten zu einem Anstieg negativer Bescheide führen. Insofern sehe ich noch nicht, wie der Verkehrsminister für eine realistische Beschleunigung sorgen will.“

 

Der Mandatsträger steht zu dem Vorhaben: „Die Infrastruktur bei uns vor Ort hat gesellschaftlich wie wirtschaftlich enorme Bedeutung und der Individual- wie Güterverkehr auf unseren Straßen wird in Zukunft zweifellos zunehmen – trotz fortschreitendem Ausbau des Schienenverkehrs und technologischem Fortschritt auf der Straße. Ich freue mich, dass die Bundesregierung grundsätzlich erkannt hat, dass unsere Region eine herausragende Bedeutung für die Verkehrsinfrastruktur besitzt und hier Prioritäten zu setzen sind.“

 

Dennoch sei der Ausbau ein „Mammutprojekt“ mit vielen Hürden, zum Beispiel fehlende Fachkräfte bei der Planung und Ausführung: „Daher halte ich nach wie vor daran fest, dass wir jetzt vordringlich eine temporäre Freigabe des Seitenstreifens der A3 als vierte Fahrbahn auf den Weg bringen müssen. In diesem Zusammenhang sind dann auch weitere Schallschutzmaßnahmen erforderlich. Dies lässt sich deutlich unkomplizierter und flexibler regeln als das immer noch riesige Verfahren eines Ausbaus. Mit meinen Amtskollegen in Langenfeld und Hilden stehe ich hierzu auch im stetigen Austausch und nehme die Bedenken genauso wie die Ansprüche vor Ort sehr ernst.“

 

Ophelia Nick (Grüne): „Ausbau ist nicht notwendig und wird an Umsetzung  scheitern“

Das sieht die Grüne Bundestagsabgeordnete aus dem nördlichen Wahlbezirk des Kreises Mettmann, Ophelia Nick, erwartungsgemäß anders.

  

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„Der Ausbau der A3 ist aus mehreren Gründen weder notwendig, noch wünschenswert oder überhaupt durchführbar„, erklärt sie uns. „Die Planungsbeschleunigung wird alleine schon an Umsetzungsschwierigkeiten scheitern. 873 Autobahnbrücken müssen allein in NRW in den nächsten zehn Jahren saniert werden. Tatsächlich kommt die Bundesautobahngesellschaft mit der Instandsetzung nicht nach, weil Ingenieure und Fachkräfte fehlen. Wie sollen dann neue Projekte geplant und ausgeführt werden? Hier werden Prioritäten falsch gesetzt.“

 

Die Fahrzeugprognosen gehen von immer mehr Verkehr aus. Daher müsse jetzt die „Verkehrswende gelingen, so wie viele Menschen in Deutschland wünschen„. Dann werde „der Bedarf an Straßen nicht steigen, sondern stagnieren oder sinken„.

 

Und natürlich sieht sie die ökologischen Folgen mit Sorge: „Der Ausbau würde möglicherweise Fläche aus dem unbedingt erhaltenswerten Further Moor und anderen schützenswerten Naturgebieten beanspruchen. Das ist aus Klimaschutzgründen nicht akzeptabel.“ 

Sie verweist außerdem an die Ablehnung der anliegenden Bürgermeister und der IHK und betont: „Ich unterstütze die Bürgerinitiative 3reicht und werde mich weiterhin gegen den Ausbau einsetzen„.

 

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Bericht: Achim Kaemmerer

Titelfoto/Collage: anzeiger24.de / Pixabay

 


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