Stadt, Gromoka und Bürger positionieren sich
Nach dem Apell der CDU Monheim, das Karnevalsprogramm aufgrund des Angriffskriegs auf die Ukraine abzusagen, hat sich nach dem Vorstand der Großen Monheimer Karnevalsgesellschaft (Gromoka) auch die Stadt Monheim postitioniert.
Thema bewegt viele Monheimer
Kann ein Rosenmontagszug unter diesen Umständen ziehen? Diese Frage bewegt derzeit viele Monheimer. In den sozialen Medien wird heftig diskutiert. Die Meinungen sind geteilt. „Und wer ist auf die Straße gegangen, als deutsche Soldaten in Afghanistan gefallen sind? Keiner und auch da ist Karneval gefeiert“, äußert ein User in einer Facebook-Gruppe. Das „Volk“ bräuchte „das“, so ein Befürworter. Kraft sammeln „beim Saufen, Fermdgehen, Pöbeln, was 80 Prozent der Leute an Karneval täten, kritisiert jemand anders. Eine Facebook-Nutzerin äußert: „Wenn das Trömmelche jeht, dann stonn ma all parat“ am besten oder? Oder Am Bickendorf Büdchen? 90% der Karnevalslieder sind überhaupt nicht politisch. Bürgermeister Daniel Zimmermann und die Große Monheimer Karnevalsgesellschaft (Gromoka) beantworten die Frage nach einer Absage klar und einig: „Ja, er kann ziehen. Er muss es vielleicht sogar – gerade jetzt! Weil er ein Zeichen für Frieden, Freiheit und Vielfalt ist und damit den Werten, die die russische Regierung gerade vor aller Welt mit Füßen tritt, entgegensteht.“ Bürgermeister Daniel Zimmermann kritisierte die CDU-Forderungen nach einer Absage“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Monheim.
Akteure bereiten sich seit Wochen vor
Die örtliche CDU habe mit Ihrem Appell für eine Absage auch auf sämtliche durch die Gromoka organisierten Feierlichkeiten abgezeilt, so die Stadt, auf die sich Altstadtwirte, Vereine, Künstler, Karnevalsgruppen und Gäste seit vielen Wochen unter ohnehin schon erschwerten Bedingungen nach zwei Pandemiejahren als kleines Lebenszeichen vorbereitet hätten. „Ein Stoß vor den Kopf“, befindet Monheims Bürgermeister und springt den Karnevalisten, die sich zum Weitermachen entschieden haben, deutlich bei. Es sei aus vielen Gründen richtig, am geplanten Karnevalsprogramm festzuhalten. Der Karneval sei wichtiges Kulturgut und habe schon immer auch eine politische Funktion gehabt. Gerade die sei nun gefragt. „Die Jecken prangern Missstände an. Sie machen sich über die Politik lustig, kritisieren die Kirchen, die Parteien und den Staat. Ich finde zum Beispiel, dass die Welt gerade jetzt die kritischen Wagen von Jacques Tilly im Düsseldorfer Rosenmontagszug mehr denn je gebraucht hätte“, so Zimmermann.
Eine Absage ist kein Statement
Eine Absage allein sei zudem erstmal überhaupt kein Statement, so Monheims Stadtoberhaupt. Eher dokumentiere man damit Betroffenheit oder ein Gefühl der Ohnmacht, weil man den Menschen in der Ukraine vermeintlich nicht helfen könne. „Dabei gibt es für die Monheimer CDU und alle Menschen in der Stadt – ob Karnevalisten oder nicht – genug Möglichkeiten, sich zu engagieren“, betont Zimmerman. „Ich denke da an die gesamte Aktionspalette der Friedensbewegung: Lichterketten, Friedensmärsche durch die Innenstadt, Briefe an den Kreml, humanitäre Hilfskonvois für die Ukraine und mehr.“ Auf diese Art und Weise könne man wirklich etwas bewirken. „Es wäre in jedem Fall mehr wert, als sich dafür auf die Schulter zu klopfen, dass man ganz bewusst und aus Mitgefühl einfach nichts tut.“
Afghanistankrieg 2001/2002: Karnevalszug fand statt
Ans Absagen habe man sich inzwischen zudem offenbar viel zu sehr gewöhnt, so Monheims Bürgermeister. Dabei hätten Kriege fast noch eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Zuletzt wurde der Karneval für den Golfkrieg 1991 abgesagt. Während des Afghanistankriegs 2001/2002 fand er hingegen ebenso statt wie 2014, als Putin– ebenfalls zur Karnevalszeit – die Krim nach Russland einverleibte und bereits damit begann, Grenzen innerhalb Europas gewaltsam zu verschieben. Auch die letzten zehn Jahre Syrienkrieg hätten nicht zu einer Absage geführt so Monheims Bürgermeister. „Warum auch? – Dafür wurde in Düsseldorf 2016 der Rosenmontagszug wegen eines Sturms abgesagt, obwohl nicht mal eine amtliche Unwetterwarnung vorlag. 2019 und 2020 wurde schon wieder über Absagen wegen schlechten Wetters diskutiert. Ich glaube tatsächlich, dass wir uns spätestens mit der Corona-Pandemie dann alle viel zu sehr an solche Absagen gewöhnt haben.“ Eine auch in den Sozialen Netzwerken zu bemerkende Gereiztheit und Reflexhaftigkeit würde solche Entscheidungen, um es sich eher leicht zu machen und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, eher noch befeuern. „Auf dieser Basis sollte man aber keine vernünftigen Entscheidungen treffen“, so Monheims Stadtoberhaupt.
Rosenmontagszug-Thema: Krieg in der Ukraine
Der richtige Weg sei es nun, so die Stadt Monheim, den Krieg gegen die Ukraine im Rosenmontagszug zu thematisieren. Zimmermann: „Dadurch können wir ein viel stärkeres Zeichen setzen, als wenn einfach alle nur zu Hause bleiben und die Tagesschau in Dauerschleife gucken.“ In Richtung der örtlichen Christdemokraten betonte Monheims Bürgermeister zudem: „Wir sollten auch bedenken, dass der Karneval zum allergrößten Teil ehrenamtlich betrieben wird. Die Vereine haben über ein Jahr pausiert und jetzt alle Anstrengungen unternommen, um im Einklang mit den geltenden Corona-Bestimmungen ihr für die Gesellschaft wichtiges Brauchtum zu pflegen. Es kann nicht sein, dass die CDU sich nun auf dem Rücken der Karnevalsvereine profilieren will. Als Stadt werden wir die Gromoka jetzt aber auf keinen Fall im Regen stehen lassen. Wenn wegen der menschenverachtenden und völkerrechtswidrigen Politik der russischen Regierung, nun alle Sport-, Kultur- und Brauchtumsveranstaltungen abgesagt und damit letztlich auch Plattformen zum Meinungsaustausch und zur Äußerung von Kritik zum Schweigen gebracht werden, dann hat das Böse gewonnen. Wir brauchen Musik, Satire, Freiheit und friedlichen Protest. Und deshalb brauchen wir auch den Karneval.“ Die Große Monheimer Karnevalsgesellschaft fasst es so zusammen: „Für uns ist jeder Rosenmontagszug zuerst und vor allem eine Demonstration für den Frieden und ein gewaltfreies Miteinander. Am Altweiberdonnerstag fand eine friedliche und widerstandslose Machtübernahme statt. Den Schlüssel gab es diesmal ohne großes Getümmel und viel Gegenwehr und vor allem ohne die sonst traditionelle Erstürmung des Ratssaals.
Jecke Lebenslust verdrängt Hass und Frust
Zimmermann Empfehlung für die nächsten Tage: „Wer tanzt und schunkelt, wird nicht hassen, ist einfach froh und ausgelassen. Und in Büttenreden lässt sich die Politik kritisieren, ohne gleich die Demokratie zu demontieren. Fastelovend schafft Zusammenhalt, weil man sich kostümiert ganz ohne Vorbehalt, begegnet, schunkelt, büzt und wenn’s drauf ankommt auch mal stützt.“ Gemäß dem Motto „Uniformen gehören allein in die Hände von Karnevalisten“ waltete Gromoka-Sitzungspräsident Moritz Peters am Altweiberdonnerstag in der Rolle eines „Brauchtumszonenabschnittsbevollmächtigen“ in NVA-Uniform „seines Amtes“: das „Volk“ in den ordnungsgemäßen Gebrauch der JBZ, der „Jeck Besetzten Zone“ einzuweisen. Es gab einen Jeckpoint Charlie und Grenzsicherungen zur JBZ. Gemäß dem Motto: Den Karnevalismus in seinem Lauf, halten weder Ochs noch Esel auf.“ Am Schelmenturm wurde anschließend der Goldenen Schelm enthüllt, geschaffen durch die Monheimer Bildhauerin Elke Tendreich-Veit.
Text: Marjana Kriznik
Quelle und Fotos: Stadt Monheim am Rhein