Bundespräsident Steinmeier: Soziale Pflichtzeit einführen?

Wichtiger Beitrag für die Gesellschaft oder Freiheitseingriff?

Die Wehrpflicht gibt es seit 2011 nicht mehr. Und damit auch keinen Zivildienst als Ersatz. Dabei waren das einst Institutionen, in denen junge Menschen Erfahrungen im menschlichen Miteinander (also Kameradschaft, sozialer Zusammenhalt, gesellschaftliches Engagement) sammeln konnten.

Als Alternative können engagierte Menschen ggf. ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder einen Bundesfreiwilligendienst (BFD) absolvieren.

Nun hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (kl. Foto) mit einer Anregung zu Wort gemeldet. In einem Interview mit der Bild am Sonntag vom 12. Juni erklärte er: „Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird, aber ich wünsche mir, dass wir eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit führen. (…) Es muss kein Jahr sein. Da kann man auch einen anderen Zeitraum wählen. Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen. (…) Auch bei der Bundeswehr. Aber die soziale Pflichtzeit könnte meiner Meinung nach genauso bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften geleistet werden. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen. Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn.“

 

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Die Diskussion

Sicherlich eine diskussionswürdige Idee. Als Bundespräsident kann Steinmeier eine solche Initiative allerdings nicht gesetzlich verordnen. Dafür ist der Bundestag zuständig.
Und natürlich muss es auch eine Akzeptanz in der Bevölkerung dafür geben.

 

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung der CDU-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Tobias Krull, erklärt beispielweise: „Die Aussagen des Bundespräsidenten für die Prüfung der Einführung eines verpflichtenden Dienstjahres sehen wir grundsätzlich positiv. Ein solches Pflichtjahr wäre dann für alle Geschlechter nicht nur bei der Bundeswehr, beim THW oder bei der Feuerwehr möglich, sondern auch im sozialen oder kulturellen Bereich. Die Einführung wird aber nicht von heute auf morgen funktionieren. Bei der Bundeswehr fehlen beispielsweise sowohl die Liegenschaften für die Dienstleistenden als auch das notwendige Ausbildungspersonal. Daher ist parallel mitzudenken, wie die bisherigen Freiwilligendienste so attraktiv gestaltet werden können, dass sich mehr junge Menschen dafür entscheiden. In diesem Sinne sind wir für eine offene Debatte.“

 

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dagegen schreibt auf seiner Facebook-Seite: „Ich meine: Eine allgemeine Dienstpflicht ist ein schwerer Freiheitseingriff. Sie würde Deutschland auch schaden. Denn wir leiden überall unter Fachkräftemangel. Da gehören junge Menschen in Ausbildung, Studium oder Beruf, nicht in Beschäftigungstherapie.“

Ähnlich äußerte sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Laut WDR erklärte sie, ein solcher Pflichtdienst sei „ein Eingriff in die individuelle Freiheit eines jeden Jugendlichen“.

 

Und dem Evangelischen Pressedient (epd) gegenüber sagte die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD, also Parteigenossin von Steinmeier): „Angesichts des Krieges in der Ukraine ist das eine theoretische Diskussion, denn jetzt hilft die Wiedereinführung einer Wehrpflicht oder die Einführung einer Dienstpflicht nicht.“ Es gehe vor allem darum, die Bundeswehr insgesamt attraktiv zu machen, damit sich gut qualifizierte Menschen für den Dienst in der Truppe entscheiden.

 

Hat das Staatsoberhaupt nun also einen Stein ins Rollen gebracht? Oder versickert der Vorschlag nach einer kurzen Debatte wieder in der Versenkung?

 

Bericht: Achim Kaemmerer
Foto: G.Altmann/ Pixabay / Portrait Steinmeier: Bundesregierung/Steffen Kugler

 


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